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AutorenbildSiglinde Czenkusch

Es gibt keine konstruktive Kritik!

Aktualisiert: 10. Aug.

Glaubst Du wirklich, dass es die konstruktive Kritik gibt? Gebe ich bei Google "konstruktive Kritik" ein, erhalte ich 3.030.000 Einträge! Die Welt scheint sich einig zu sein.

Und in meinen Seminaren spreche ich auch davon, wie wichtig es ist, Kritik achtsam zu äußern und als entwicklungsfördernden Hinweis anzunehmen.

Aber irgendwann habe ich daran gezweifelt, dass es die sogenannte "konstruktive Kritik" gibt.



Ratlos und fragende Frau, die sich fragt, ob es wirklich eine konstruktive Kritik gibt.
Drei Fragezeichen auf der Stirn

Ich behaupte aus voller Überzeugung, dass es keine Kritik geben kann, die konstruktiv ist.


Denn: Zunächst ist das Kritisieren verletzend, kränkend, erschütternd und irritierend.


Oder bist Du augenblicklich dankbar und glücklich, wenn Dir gesagt wird, dass Du etwas falsch gemacht hast?

Wenn Dir gesagt wird, dass Du einen Fehler gemacht hast?

Wenn Dir gesagt wird, dass Du es nicht gut genug gemacht hast?

Wenn Dir gesagt wird, dass das ganz anders zu machen hat?

Freust Du Dich über so viel konstruktive Kritik?


Was bedeutet denn "konstruktiv"?


Ist die Kritik konstruktiv, im Sinne von aufbauend, förderlich, errichtend? Nein!

Sie ist zunächst enttäuschend statt aufbauend, weil ich von mir und meiner Leistung ein anderes Bild hatte.

Sie ist zunächst blockierend statt förderlich, weil ich innehalten und darüber nachdenken muss.

Sie ist zunächst vernichtend statt errichtend, weil mein Selbstbild zusammenfällt in Bezug auf eine bestimmte Verhaltensweise.


All meine guten Absichten werden nicht berücksichtigt, meine Anstrengungen, mein Einsatz. Vielleicht kannst Du nachempfinden, was ich meine.


Der erste Moment - ein Schreck!


Äußert jemand eine kritische Anmerkung, die mich wirklich erstaunt, überrascht oder berührt, muss ich erst einmal das Gesagte verkraften, verarbeiten, verdauen. Erst wenn ich mich beruhigt habe - innerlich - kann ich mich dazu äußern, kann ich etwas damit anfangen. Erst dann kann die Kritik konstruktiv wirken und zu einer Veränderung führen.

Und was ich ja auch oft bemerke: Die geäußerte Kritik trifft erschreckenderweise meistens sogar zu, wenn auch vielleicht nur in Teilen.


Das wiederum führt dann dazu, dass sie mich noch stärker angeht oder sogar angreift und das konstruktive Element noch nicht wirken kann.


Deswegen meine Überzeugung: Es gibt keine konstruktive Kritik!


Es ist möglich und ratsam, seine Kritik wertschätzend, lösungsorientiert und taktvoll zu äußern. Es ist auch möglich nach einer Weile die "Hinweise" als solche zu sehen und einen Abgleich zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung zu schaffen.


Dann ist es auch wahrscheinlich, dass die geäußerte Kritik, die auch immer ein Zeichen für eine nicht erfüllte Erwartung ist, zu einer Verhaltensänderung und Weiterentwicklung führt. Dann passt auch das Adjektiv "konstruktiv".


Muss Kritik sein?


Kritikäußerungen im Privaten (Familie, Partnerschaft, Freunde) oder im Beruflichen (Mitarbeiterjahresgespräche, Feedbackgespräche, Praxisanleitungsgespräche) sollten bestenfalls umsichtig, behutsam und respektvoll sein.

Ja, klar, alles bekannt!


Aber Vorsicht!

Da es meiner Meinung nach keine konstruktive Kritik gibt, müssen wir immer auch mit einer emotionalen Reaktion rechnen, die völlig verständlich und menschlich ist.



Was bedeutet dies alles nun?


Die allgemein bekannte Regel, sich nach einem Feedback (wenn auch halbherzig) zu bedanken und 72 Stunden mit einer Entgegnung zu warten, halte ich für sehr nützlich! Erst nach einer gewissen Zeit sind wir bereit und fähig, souverän mit der Rückmeldung umzugehen. Also zu entscheiden, ob das Gesagte dazu führt, dass ich etwas ändere oder zu entscheiden, dass ich das Gesagte beim Sender lasse und fröhlich weiter so handele wie bisher.


Für den Feedbackgebenden bedeutet es, dass uns klar sein muss, dass wir sehr viel mehr über uns als über den anderen preisgeben, wenn wir etwas kritisieren. Deshalb halte ich es für hilfreich, gut abzuwägen, ob die Kritik wirklich geäußert werden muss.


Und zu beachten wäre auch, dass ich trotz sorgfältiger Vorbereitung und äußerst wertschätzenden Formulierungen mit Widerstand, Unverständnis und Gefühlen wie Traurigkeit, Ärger und Enttäuschung rechnen muss.


In meinem Blogbeitrag "Was ist ein heikles Gespräch?" gehe ich auf verschiedene Aspekte ein, die beim Führen eines herausfordernden Gesprächs von Bedeutung sind.


Der Managementberater und Autor Reinhard Sprenger schreibt in seinem Buch

"Das anständige Unternehmen" den aufrüttelnden Satz:

"Feedback ist Ausdruck einer fundamentalen Interesselosigkeit

am Anderssein des Anderen."


Ein spannender Gedanke ...!


Wie ist Deine Meinung zum Thema "Konstruktive Kritik"?

Schreib gerne in den Kommentar Deine Gedanken dazu. Ich freue mich über Feedback, Kritik, Hinweise dazu - egal ob konstruktiv oder nicht! :-)

Und ich antworte auch! :-)


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